Hintergrund
Der Bankier Gustav von Klemperer (gest. 27.12.1926 in Dresden) hatte seinen drei Söhnen, Victor (1876-1943), Herbert Otto (1878-1951) sowie Ralph Leopold (1884-1956), seine kostbare Porzellansammlung testamentarisch vermacht. Aufbewahrt wurde diese Sammlung ab den frühen 1930er Jahren im Haus des ältesten Sohnes, der auf der Tiergartenstraße am Großen Garten eine stattliche Villa besaß.
Aufgrund der politischen Situation in Deutschland und der zunehmenden Repressalien gegen jüdische Bürger waren die von Klemperers in den späten 1930er Jahren gezwungen, Zuflucht in anderen Ländern zu suchen – Victor und Ralph Leopold flohen mit ihren Familien nach Südrhodesien (heute Simbabwe) bzw. nach Südafrika, der damals in Berlin lebende Herbert Otto emigrierte mit seiner Familie nach England. Die Ereignisse der Novemberpogrome 1938 machten deutlich, dass eine Rückkehr der Familien nach Deutschland – auch wenn es nur eine zeitweise sein sollte, um einige Angelegenheiten ordnen und wenigstens wenige persönliche Gegenstände retten zu können – nun nicht mehr möglich war.
Bereits im November 1938 wurden das Inventar und sämtliche Kunstgegenstände von der Geheimen Staatspolizei in der Villa auf der Tiergartenstraße „sichergestellt“. Auch die Porzellansammlung Gustav von Klemperers zählte dazu, um die sich der damalige Direktor der Staatlichen Porzellansammlung Dresden, Fritz Fichtner, bemüht hatte. Sie wurde im Dezember 1938 in das nahe der Dresdner Frauenkirche gelegene Johanneum abtransportiert, in dem sich zu dieser Zeit noch Teile der Porzellansammlung Dresden befanden.
Im November 1941 verfiel das gesamte Vermögen der Familie von Klemperer an das Deutsche Reich gemäß der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz. Im Januar 1943 erfolgte dann die unentgeltliche Übertragung der Sammlung von Klemperer an das Land Sachsen, konkret hieß dies - an die Staatliche Porzellansammlung Dresden. Die Grundlage hierfür war ein persönlicher Entscheid Adolf Hitlers.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Porzellansammlung von Klemperer dann gemeinsam mit Objekten der Staatlichen Porzellansammlung Dresden kriegsbedingt in außerhalb von Dresden gelegene Bergungsorte – zumeist Burgen und Landsitze – ausgelagert, um sie vor Kriegseinwirkungen zu schützen. Auf diese Weise gelangte die Porzellansammlung Gustav von Klemperer 1943 in das zwischen Dresden und Bautzen gelegene Barockschloss Rammenau.
Die von Osten vorrückenden Truppen der Sowjetunion machten in den ersten Monaten des Jahres 1945 eine abermalige Verlagerung der Kunstgegenstände nötig. So wurden einige östlich der Elbe gelegene Depots geräumt und die Kunstwerke in Orte gebracht, die weiter westlich lagen. Im Zuge dieser erneuten Verlagerung wurden auch die Kisten, die die Porzellansammlung Gustav von Klemperer enthielten, aus Schloss Rammenau abtransportiert und auf unterschiedliche Bergungsdepots verteilt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten die einst außerhalb Dresdens lagernden Kunstwerke peu à peu in die Landeshauptstadt und die Museen zurück. Allerdings waren starke Verluste zu verzeichnen; Kriegseinwirkung, Plünderungen und mutwillige Zerstörung hatten die ausgelagerten Bestände dezimiert. Dies traf ebenso auf die 1938 aus dem Familienbesitz von Klemperer geraubte Porzellansammlung zu. Objekte dieser Sammlung, die den Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen Einwirkungen überstanden hatten, gelangten – teilweise unerkannt in Bezug auf deren Provenienz – in den Bestand der Porzellansammlung Dresden.
Erst nach der gesellschaftspolitischen Wende konnte sich die Familie von Klemperer erfolgreich an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wenden, um nach ihren während der NS-Zeit entzogenen Kunstschätzen forschen zu lassen. Sämtliche Bemühungen der Familie waren vor 1989 jahrzehntelang mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt bzw. schlichtweg ausgesessen worden.
1991 erfolgte eine erste Restitution an die Familie von Klemperer aus der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Auf der Grundlage der Abbildungen im 1928 erschienenen Katalog der Sammlung Gustav von Klemperers konnten damals 85 Porzellane als zur Sammlung von Klemperer gehörig identifiziert werden. Davon nahmen die Familie von Klemperer lediglich 23 Objekte aus der Restitution entgegen, der weiteraus größere Teil von 62 Stücken gelangte als großzügige Schenkung in die Porzellansammlung Dresden. Die 23 an die Familie von Klemperer zurückgegebenen Porzellane gelangten 1991 bei Christie’s in London zur Auktion.
Durch die Forschungen am Bestand und die umfangreichen Recherchen zur Sammlung von Klemperer gelang es, 2010 eine weitere große Restitution an die Familie von Klemperer umzusetzen. Die Objekte, um die es bei dieser Restitution ging, waren zu einem Großteil nur als Scherben beziehungsweise als Fragmente erhalten, weswegen sich deren Identifizierung äußerst diffizil gestaltete. Einige dieser zum Teil nur fragmentarisch erhaltenen Stücke wurden 2010 bei Bonhams in London versteigert.